Dienstag, Juli 26, 2005

Deep, deep Down...

Danger: Diabolik
(Diabolik)
ITA/FRA 1967 100 Min
von Mario Bava
mit John Phillip Law, Marisa Mell, Michel Piccoli, Adolfo Celi
DVD (Paramount)

Diabolik ist schlichtweg das Reizwort für die Polizei und ihren höheren Befehlsgebern. Da Inspektor Ginko den gewieften Klaufuchs nicht erwischen kann, rückt er dem Drogenboss Valmont auf die Pelle. Er soll Diabolik fangen, damit die Polizei ihre Razzien in seinen Absatz-Etablissements wieder etwas lockerer handhabt.

Ach ja, es ist so eine Sache mit Comicverfilmungen. Viele hat es bisher gegeben. Doch wirklich gelungen sind leider nur die wenigsten. Das Hauptproblem: Wie kann ich die Funktionsweise der Comics (ihr wisst schon: Panels, Sprechblasen) in einen Film übertragen? Viele haben sich daran die Zähne ausgebissen. Aktuelle Nieten wie die „Fantastischen Vier“ oder „Batman IV“ beweisen, dass es scheinbar nicht viele Filmregisseure gibt (und gegeben hat), die halberwegs kapiert haben, was genau einen Comic funktionieren lässt bzw. wie man einen Comic artgerecht auf die Leinwand überträgt.
Gehen wir einmal zurück in die 60er Jahre. Richtig, da war ja Batman schwer in Mode. Doch sieht man sich dieser Tage die Serie sowie den Film an, dann stellt man fest: das Ganze ist zugegebener Maßen netter Trash, aber mit einem Comic hat das nicht viel zu tun. Da muss schon mehr kommen, als ein paar „Sliff!“ oder „Zoooom“ Sprechblasen, wann immer die olle Fledermaus und sein schwules Mündel die Griffel durch die Luft fliegen lassen. Also kann man wohl auch die 60er abhaken. Wer so denkt, der sollte sich lieber erst einmal „Danger: Diabolik“ in den Player schmeissen!
In einer Hinsicht ist dieser Film ungewöhnlich für Mario Bava, bis heute einer der visuell begabtesten Regisseure der Filmgeschichte. Es ist seine einzige Großproduktion, hier für Dino de Laurentiis. Dadurch konnte er diesmal auf eine erlesene Besetzung zurückgreifen: John Phillip Law, Marisa Mell, Michel Piccoli, Adolfo Celi und Terry-Thomas waren damals alles andere als Unbekannte in ihrem Business. Ansonsten ist alles so wie immer beim guten Mario: Das großzügig bemessene Budget von gut 3 Millionen Dollar ließ ihn nicht von seiner Art einen Film zu inszenieren abbringen. So kostete „Diabolik“ am Ende nur gut ¼ des veranschlagten Etats. Anzusehen ist das dem Film nicht, ganz im Gegenteil. Denn Bava war eben nicht nur ein sehr guter Regisseur und Kameramann, sondern auch ein begnadeter Visuell- and Special Effects-Bastler. In Diabolik zeiht er alle Register seinen Könnens: Matte Paintings, Glass-Paintings, Miniaturaufnahmen, Doppelbelichtungen – alles fügt sich harmonisch in den Film ein und sieht, gemessen an den damaligen Standards, richtig schnieke aus (Als Beispiel seien nur die Szenen in Diaboliks unterirdischer Behausung genannt).
Doch kommen wir zurück zu unserem Ausgangspunkt. Ja, Bava hat tatsächlich ziemlich gut verstanden, was Comics funktionieren lässt. Comics versuchen, durch die Panels hinweg eine Illusion großer Tiefe, großer Bewegung zu erzeugen. Genau dort scheitern viele Comicadaptionen (aus den 60ern nahezu alle!). Es wird zwar viel wert auf Ausstattung, Kostüme und Special Effects gelegt. Aber durch die viel zu statische Kamera entsteht keine Bewegung im Film. Alles wirkt langsam und statisch. Genau in die Falle tappt Bava nicht. Er nutzt Zooms und Kamerabewegungen, die in Verbindung mit der natürlichen Bewegung der abgefilmten Objekte dem Film ein für damalige Zeiten, gerade in den Actionszenen, atemberaubendes Tempo geben. Zudem überträgt Bava zwar nicht den visuellen Stil der Comics, aber die Eigenart der „Panels“, also der vielen Einzelbilder pro Seite, auf den Film. Sei es dass man die Personen nur in Autospiegeln im Bild sieht, sei es, dass ein leeres Bücherregal zwischen die Akteure und die Kamera platziert hat – Bava versucht immer wieder, sein Filmbild panelartig zu gestalten.
Dass er in vielen Bildfolgen und Einstellungen den gezeichneten Originalen folgt, passt da ebenfalls ins gute Gesamtbild. Die Sequenz, in der er sich als Turmkletterer bei einem seiner Diebeszüge versucht, kann in puncto mise-en-scene 1:1 in einen Comic übertragen werden.
Abseits von Bavas technischem und inszenatorischem Geschick ist auch eine inhaltliche Betrachtung sehr interessant. Diabolik stammt von einem in den 60er Jahren sehr bekannten „Fumetti“ (Comicstrip, eigentlich wörtlich übersetzt „puff of smoke“, angelehnt an die Comic-typischen Sprechblasen) von Angela and Luciana Giussani und weist gegenüber seinen amerikanischen Pendants einen großen Unterschied auf. Anders als Batman, Superman und Co. ist er weder ein edler Retter und Kämpfer für die Armen und Unterdrückten noch ein traumatisierter und schüchterner Typ. Er ist mehr ein halber Robin Hood. Er klaut das Geld zwar von den „Reichen“, behält es aber für sich und seine Flamme. Diabolik ist zwar smart und trickreich, bleibt aber doch immer ein Krimineller mit Ansätzen zum Terroristen. John Philipp Law liefert dabei eine beachtliche Performance ab. Da sein Dress nur einen schmalen Sehschlitz für die Augen freilässt, bleiben ihm zum schauspielen nicht viel mehr als die Augen und sein Körper, eine Limitierung, der er mit vollem Einsatz und Augenrollen gegensteuert. Auch die restliche Besetzung liefert souveräne Leistungen ab. „Danger: Diabolik“ atmet dabei ganz tief den Hauch der späten 60er, was Farben, Formen und Lebensgefühl angeht. Auch dafür liebe ich den Streifen.
Bavas Film ist eigentlich ein Muss für Comic-Liebhaber, für Bava-Fans sowieso und für all diejenigen, die den guten Mario immer noch als reinen Horrorregisseur abstufen. Diabolik ist für mich das Non-plus-Ultra im Comicfilmbereich der 60er! Allein schon die Filmmusik von Ennio Morricone, der hier wohl einen der deftigsten Easy Listening-Pop-Soundtracks aller zeiten hinlegt: Nach nicht mal 5 Sekunden seines Actionthemas schmeisst man sämtliche Neal Hefti-Platten freiwillig aus dem Fenster!

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