Montag, Juli 30, 2012

Not Bad, Man!


The Dark Knight Rises
USA 2012  164 Min
von Christopher Nolan
mit Christian Bale, Tom Hardy, Marion Cotillard, Anne Hathaway
Kino (Warner)

Vorsicht: Spoiler!

Dies ist Nolans nicht krönender, aber doch insgesamt gelungener Abschluss seiner Batman-Trilogie. (?)  Mit seinen fast drei Stunden Spielzeit episch angelegt, versteht es der Film, einen über weite Strecken zu unterhalten. Das schaffen beileibe nicht alle Filme, die Hollywoods selbsternannte Traumfabrik so in die Kinos rülpst… Das Nolan derzeit einen Status im Studiosystem innehat, der es ihm erlaubt, düstere und auch komplexere Geschichten zu erzählen (also komplex gemessen am sonstigen Hollywood-Output) ist bekannt. Bloß gut, dass er es auch draufhat: So bekommt er den Spagat zwischen Actionelementen und den vielen Erzählsträngen gut auf die Reihe, ohne zwischendurch größere Durchhänger zu verzeichnen. Komplett gelungen ist dies nicht, denn The Dark Knight Rises schrammt doch generell immer haarscharf an der inhaltlichen Überfrachtung vorbei. Es wird eine Geschichte erzählt, die auch für zwei normale (und 15 Michael Bay-) Filme gereicht hätte. Dies führt auch zu dem heikelsten Element, dass sich die Story und mit ihr die Dramaturgie in den ersten gut 2 Stunden grob gesehen zwei Mal im Kreis dreht. Bruce Wayne emotional ganz unten, dann aufraffend, dann noch weiter unten und wieder die Kurve kriegend. Obwohl dies durch die Handlung abgedeckt ist, bremst es gerade auf der zweiten Schleife, also den Gefängnis-Szenen, die Handlung doch etwas aus. Auch weil dies der Batman-Film ist, in dem die Hauptfigur wohl mit die längste Zeit lediglich auf die Umstände reagiert, anfangs mehr mit sich zu tun hat und auch später immer seinen Gegenspielern einen Schritt hinterherhinkt. Nolan lässt die olle Fledermaus dieses Mal ordentlich leiden; ein langer, langer Leidensweg ist es bis zur seelischen Wiedergeburt.

So richtig störend empfand ich die Sache letztlich nicht. Vielleicht ist es ja auch beginnende Altersmilde… Hmmm, wohl dann doch eher die positiven Dinge, welche überwiegen: Die Darsteller tun das, was sie tun müssen, um die ganze Sache zu wuppen. Bane, obwohl als Gegenspieler per Definition seines Charakters  eher eindimensional angelegt, funktioniert doch besser als gedacht, auch wenn er natürlich deutliche Handycaps gegen schillernde und vielschichtigere Charaktere wie die schnurrige Katzenfrau, die ja auch ihm Film umherstreunt, besitzt. Die Musik von Hans Zimmer ist zweckgebunden okay und funktioniert, obwohl es eigentlich nicht mehr als Dienst nach Vorschrift vom guten Hansi ist und quasi…nun ja… zusammengezimmert wirkt. Alles irgendwo schon mal gehört, inklusive der hohen wispernden Frauenstimme, die am Ende nach Erlösung verlangt (was ist eigentlich die Steigerung von Klischee? Filmmusikalischer Archetyp? Meta-Klischee?). In jedem Fall wirkten meine Ohren an der Stelle unangenehm verklebt, gut dass es nur ein paar Sekunden waren.

Nicht zu vergessen wären die Nolan-typischen Querverweise auf das aktuelle politische und gesellschaftliche Zeitgeschehen. Catwoman trachtet in dem Film, den sogenannten „Neustart“ zu bekommen; ein Programm, das die digitale, indem Fall durch die minder-privilegierte Herkunft bedingte, unrühmliche Vergangenheit einer Person löscht und einen echten Neuanfang verspricht. Den „Radiergummi fürs Internet“, würden jetzt deutsche Netzpolitiker der Generation „Pong-Automat“ sagen… Zudem flicht Nolan die gegenwärtigen Spannungen, bedingt durch Banken- und Eurokrise und deren folgenreiche weitere Spaltung der Gesellschaft in reichere Reiche und ärmere Arme, mit ein. Bane erscheint in Zeiten gesellschaftlicher und politischer Wirren als vermeintlicher Erlöser für die einfache Bevölkerung, der den Leuten ein besseres Leben plus Abrechnung mit bisherigen Autoritäten verspricht, der jedoch nichts als ein skrupelloser Verführer ist und seine eigenen, finsteren Pläne verfolgt, was für eben jene Bevölkerung endgültige Konsequenzen bereithält. Sowas soll ja auch auf dem realen Planten Erde schon mal vorgenommen sein. Die erste deutsche Republik ja auch das Problem, der Rest ist dunkelste deutsche Vergangenheit und die finanzielle Lebensgrundlage von Guido Knopp. Die Kommentare wirken im Film erfreulicherweise nicht deplatziert und durchaus stimmig, so dass auch dieser Film den Spagat aus Unterhaltung mit einer Portion Zeitkritik packt. Nicht so gut, wie vielleicht sein Vorgängerfilm, aber allemal zufriedenstellend.

Okay, es gibt auch ein paar kleine Logiklöcher, bei denen man schon ein Auge zudrücken muss: Wieso Catwoman bis zum Ende des Films die wahre Identität von Batman nicht weiß, obwohl sie das erste Zusammentreffen zwischen Bane und der Fledermaus beobachtet, in der Bane dessen echten Namen erwähnt plus ihr die Maske vom Gesicht zieht, erscheint nebulös. Und dass am Schluss die Tatsache, das eine im Meer versenkte Atombombe detoniert, ohne eine Monster-Mörder-Welle auszulösen, auch nicht ganz wissenschaftlich gedeckt ist, dürfte ebenso klar sein. Ich verbuchs mal ganz generös unter künstlerische Freiheit mit dem Totschlagargument, dass Film bekanntlich ja seine eigenen Gesetze hat. Ha, klappt doch immer wieder!

Um zum Ende zu kommen: The Dark Knight Rises ist ein gelungener Film mit kleinen Schwächen, der damit eine der erfreulichen Ausnahmen inmitten der sonst üblicherweise dumm-dusseligen Hollywood-Action-Unterhaltung bildet.

Samstag, Juli 28, 2012

Land of the (Un)Free


Strafpark
Punishment Park
USA 1971  92 Min
von Peter Watkins
mit Patrick Boland, Kent Foreman, Carmen Argenziano
Blu-Ray (Eurovideo/Bavaria - Kino Kontrovers 12)

Aufgrund der politisch angespannten Situation zu Beginn der 70er Jahre in den USA mit Hippiebewegung, Rassenunruhen und den Protesten gegen den Vietnam-Krieg greift der Präsident auf ein bestehendes Notfall-Gesetz zurück, dass es den staatlichen Behörden erlaubt, jede Bürgermeinung abseits der offiziellen Doktrin und damit die Person selbst zu kriminalisieren. Kriegsgegner wie Regimekritiker werden in Schauprozessen abgeurteilt und müssen sich entscheiden zwischen einer langjährigen Gefängnisstrafe oder einer 3-tägigen Teilnahme am sogenannten Strafpark. Während Gruppe 637 in diesem unterwegs ist, wird über die Gruppe 638 Gericht gehalten – beides wird dabei dokumentiert von zwei europäischen Kamerateams.

„Strafpark“ spitzt die damalige politische Lage in den USA zu einer höchst beunruhigenden Dystopie zu. Das Land wird als undemokratisch und gewalttätig, als faschistischer Polizeistaat dargestellt, mitsamt seinen Konzentrationslagern Strafparks inklusive Schauprozessen und Todesmarsch. Die größte Leistung des Films ist dabei sein authentischer, dokumentarischer Anstrich: Innerhalb kürzester Zeit wurde der Film mit einer beweglichen 16m-Handkamera im Stil einer Reportage gedreht, auf Filmmusik wurde verzichtet (lediglich ein elektronischer, unheilschwangerer Ton ist mehrmals zu hören), der Kommentar fällt nüchtern und spärlich aus. Zudem entschied sich der Regisseur dafür, keine professionellen Schauspieler für den Film zu engagieren. Mit den gecasteten Laien wurden vorab nur die Eckpunkte der jeweiligen Rolle festgelegt, die Dialoge entstanden spontan, es wurde ohne Proben gedreht. Gerade die Rededuelle im Gerichtszelt profitieren in ihrer gewissen Unberechenbarkeit, Dynamik und Schärfe ungemein von diesen Entscheidungen.

Zusätzlich zum politischen Konfliktpotential enthält der Film noch eine zweite, gesellschafts- und medienkritische Reflexionsebene. Ein Kamerateam begleitet eine der Gruppen durch den Strafpark – ein meilenlanger Marsch durch die Wüste bei sengender Hitze – dokumentarisch distanziert. Auch als zu Beginn des Marsches von den Sicherheitskräften getätigte Versprechen sich als unwahr herausstellen, wahren sie die durch ihr journalistisches Ethos geforderte Neutralität und funktionieren dabei bewusst oder unbewusst als Rädchen im antidemokratischen Prinzip des Strafparks und seiner politischen Bedeutung selbst. Zudem wird der Vorgang des Dokumentierens als voyeuristischer Vorgang gezeigt, der die Frage impliziert, ob dies wirklich der Aufklärung dient, oder vielmehr zur Befriedigung der Sensationslust der Fernsehzuschauer geschieht. Auch auf dieser Ebene überspitzt Watkins die Rolle der Medien und formuliert dadurch seinen Aufruf an die Medien, indem er dem Kameratema eine Entwicklung zugesteht, die von emotionsloser, nüchterner Distanz hin zu aktiver Einmischung in das zu dokumentierende Geschehen geht, als sich der Konflikt zwischen Gefangenen und Sicherheitskräften entlädt.

Über einen großen Bekanntheitsgrad könnte sich Peter Watkins Film seit seiner Entstehung wahrlich nicht erfreuen. Dies verdankt er der Tatsache, dass der Film ein offener, polemischer Angriff gegen staatliche Repression in Krisenzeiten darstellt, der den Vereinigten Staaten von Amerika in bitterböser Deutlichkeit den Spiegel vorhält. Die Subtilität der feinen Anspielungen und Metaphern ist nicht das gewählte Mittel, mehr ein beherzter Tritt vors Schienbein … des Zuschauers, auf das er doch endlich aufwachen möge. Nein, definitiv kein Film zum Finden der eigenen seelischen Ausgeglichenheit und inneren Ruhe. „Strafpark“ macht zornig und wütend – ein Aufruf zur Gewaltausübung ist der Film jedoch nicht. Die Konsequenz solch einer filmischen Vorgehensweise war und ist jedenfalls klar: der Film fand in den USA keinen Vertrieb. Dort wo er in wenigen kleinen Hinterhofkinos lief, wurde er kaum beworben und nach kurzer Zeit wieder aus dem Programm genommen. Die größte Anzahl der Kritiken waren vernichtend. Auch in Deutschland wurde der Film erst ein Jahrzehnt später zum ersten Mal gezeigt.
Nach Editionen für den Heimfilmmarkt aus den USA und England liegt „Strafpark“ nun auch in Deutschland als DVD und Blu-Ray-Variante vor, sorgsam ausgestattet mit Textbooklet, Audiokommentar sowie einer halbstündigen Einführung und zwei frühen Kurzfilmen des Regisseurs. Wer spannendes, faszinierendes und aufwühlendes Politkino der 70er Jahre zu schätzen weiß, sollte einen Blick riskieren, denn Watkins Film stellt einen der gelungensten Beispiele dieser Ära dar. An Aktualität hat der Film thematisch bis heute nicht verloren, es reicht Stichworte wie „Patriot Act“, Guantanamo und Abu Ghraib zu erwähnen.  Und man muss sich ja an Beispielen nicht nur auf die USA beschränken…