Dienstag, Oktober 18, 2011

Dunkel

Hell
D/CH 2011 89 Min
von Tim Fehlbaum
mit Hannah Herzsprung, Stipe Erceg, Lars Eidinger
Paramount Deutschland (Kino)

Hmmm, ein deutscher Horrorfilm… ist immer noch in der hiesigen Filmlandschaft ein Einzelgänger. Irgendwie immer ein ungeliebtes Kind in Filmförderanstalten. Schmuddel-Image, niedere Kultur, Verherrlichung niederer Gelüste… Dabei hatte Deutschland eine lebendige Horrorfilmtradition, damals in den 20er Jahren. Bis nach dem Spuk des 2. Weltkrieges der Horrorfilm keine wirkliche Heimat mehr hierzulande fand, zu nah rückten seine Bilder und Topoi wohl an die Erinnerungen jüngster deutscher Verbrechen heran. Dabei liegen die Tendenzen des deutschen Kinos ja durchaus im Bereich der schweren, düsteren, elegischen und tragischen Geschichten – wie das hiesige Arthousekino stets beweist. Locker, luftig, leicht – dafür sind die Franzosen da… Demzufolge müsste doch der Horrorfilm eigentlich öfter das Mittel der Wahl sein, um in dessen Genre-Geäst Einblicke in die Beschaffenheit der heutigen Zeit zu implementieren. Dass der Horrorfilm mit sozio-kritischem Unterton funktionieren kann, haben die 70er Jahre gezeigt und dabei eine ganze Reihe an Genreklassikern hervorgebracht: Last House on the Left, Deathdream, It’s alive, Crazies oder Texas Chainsaw Massacre.  Womit wir schon die Brücke zu Tim Fehlbaums Film haben…(und hier beginnen dann wohl die Spoiler!)

Denn Hell stellt eine recht gelungene Mischung aus Endzeitstreifen und Backwood-Horror dar und beweist, dass die Drehbuchautoren Tobe Hoopers Mär von der kannibalistischen Großfamilie kennen – und zitieren. Wo im Original die Industrialisierung und der damit einhergehende Verlust des Arbeitsplatzes (in dem Fall als Schlachter, der Vater wie Söhne betrifft) die Familie in den Kannibalismus abdriften lässt, ist es hier die Utopie einer Welt nach der Klimakatastrophe und der damit verbundenen Notsituation. Die Erderwärmung hat um 10 Grad zugenommen, der Sonne gleißendes Licht (den Filmtitel kann man in dieser Hinsicht sowohl als englisches wie als deutsches Wort begreifen) verbrennt die Haut und vertrocknet den Boden. Nur wenige Menschen haben überlebt, Wasser und Nahrung sind rar. Ob deswegen die Filmbewertungsstelle aus Wiesbaden dem Film das Prädikat „besonders wertvoll“  zugesprochen hat? Mit dem Ökothema liegt der Film jedenfalls im Trend. Nur benutzt der Film dieses lediglich als Ausgangslage, legt seinen Fokus auf die zwischenmenschliche Dramatik, auf die Frage nach dem Umgang miteinander und der Veränderung der Werte und Normen angesichts der existenzbedrohenden Ausnahmesituation.

Den Ausführungen liegt es schon nahe – Hell erfindet das Rad nicht neu und hat auch dem Genrekanon inhaltlich nichts neues hinzuzufügen. Bemerkens- und anschauenswert ist er aber aufgrund seiner visuellen wie strategischen Machart. Die überbelichteten, ausgebleichten Aufnahmen verfehlen ihre Wirkung nicht und tragen ihren Teil zur gelungenen Atmosphäre des Films bei. Ansonsten wirkt der Film merkwürdig, aber gleichzeitig faszinierend entrückt. Der Film erzählt seine Geschichte nüchtern und weitesgehend ruhig. Grelle Schockbilder oder ein dementsprechendes Sound-Design fehlen. Stattdessen hat der Film etwas eindringlich-meditatives. Die Spannungsschraube wird dramaturgisch durchaus geschickt mehrfach im Film angezogen, ansonsten ist ein unterschwelliges Bedrohungsszenario stets präsent. Die Musik pulsiert bedrohlich, die Dialoge sind zumeist laut geflüstert und auf das notwendigste reduziert, die Darsteller spielen der Filmsituation angemessen eher reduziert, auch weil es das Drehbuch unterlässt, die in deutschen Filmen regelmäßig anzutreffenden Gefühlsausbrüche mit übertriebenem und immer etwas künstlich wirkendem Schrei-und Heulfaktor² zu verquicken. Da der Film diesen Stil konsequent durchzieht, kann er als gelungenes Genre-Beispiel bezeichnet werden.

Was ist nun Hell genau? Ich würde ihn als interessante Fingerübung eines talentierten Regisseurs sehen. Wer sich mit dem nüchternen, doch durchaus eindringlichen Erzählstil anfreunden kann, dürfte während des Films keinen Erscheinungen der Langeweile begegnen.

Montag, September 12, 2011

Hoppla…


…nun ist es also passiert. 26 Jahre nach seiner erstmaligen Beschlagnahme ist einer der Horrorklassiker der 70er Jahre in Deutschland kein Hort der Verherrlichung oder Verharmlosung von grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten beziehungsweise einer die Menschenwürde verletzenden Darstellungsweise mehr. So hat es das Landgericht Frankfurt am heutigen Tage bekannt gegeben. Die Liste der in Deutschland nach §131 beschlagnahmten Filme muss somit künftig ohne das Blutgericht in Texas, auch bekannt als Kettensägenmassaker oder schlicht The Texas Chainsaw Massacre auskommen. Eine Premiere, denn bisher galt: Einmal drauf, nie mehr runter... Auslöser der Rehabilitierung des Films war eine Klage der Turbine Classics GmbH, die sich seit 2008 um die Freigabe des Titels bemühte. Somit dürfen sich wohl hierzulande alsbald Neugierige selbst ein Bild davon machen, dass der sagenumwobene Titel des Films mehr impliziert, als der Film letztlich enthält. Massaker ist nicht, dafür aber ein intensives und raues kleines Stück reinstes Terrorkino. Demnächst im Elektrofachhandel ganz in ihrer Nähe.

Dienstag, August 30, 2011

Ablegen unter: Wichtig!

Nacht und Nebel
(Nuit et brouillard)
F 1955 30 Min
von Alain Resnais
Bundeszentrale für politische Bildung (DVD)

1955 – Der Filmregisseur Alain Resnais besucht die leerstehenden Ruinen ehemaliger Konzentrationslager der Nazis. Die Natur, man sieht es den Filmaufnahmen an, beginnt, sich auf den ehemaligen Arealen des Schreckens wieder bequem zu machen. Beginnt, das Grauen, was die stummen Bauten der Massenvernichtung in eine bedrückende Aura tauchen, langsam zu überdecken. Doch Resnais kommt, um einen Dokumentarfilm gegen das Vergessen zu drehen. Sein Film bringt zum ersten Mal die beklemmenden, drastischen und eigentlich unfassbaren Archivbilder an die breite Öffentlichkeit. Auf der Berlinale 1956 verursacht er einen Skandal, in einem Land, dass im beginnenden Wirtschaftwunder auch gerne Gras über die Dinge der jüngeren Vergangenheit wachsen lassen würde. Den Kommentar zu Resnais Werk schreibt der Schriftsteller Jean Cayrol, die deutsche Bearbeitung wird von Paul Celan übernommen, beide Überlende des Holocaust. Es entsteht ein Essay, der nicht zu erklären versucht, was nicht zu erklären ist. Die Menschenverachtende, das den Bildern inne wohnt, spricht für sich – und macht gleichzeitig sprachlos. Das System Konzentrationslager wird im Film von seiner Planung bis zum Ende wortgewandt skizziert. Mal prasseln Wortsalven auf den Betrachter ein, mal werden die Sätze wirkungsvoll zerdehnt. Die Musik Hanns Eislers gibt sich dramatisch, elegisch, manchmal gar fröhlich, um den Kontrast zum Gezeigten noch zu verstärken. So sind 30 Minuten Film entstanden – 30 Minuten Film gegen das Vergessen – 30 Minuten Film, die das Unfassbare, die für den menschlichen Geist fast irrational anmutende Hölle auf Erden, eindrucksvoll auf Zelluloid bannen – und auch 30 Minuten Film, der damals die richtigen Fragen stellte, wie auch heute noch stellt. So ganz nebenbei stellt Nacht und Nebel in seiner Klarheit und „nüchternen“ Direktheit jede Infotainment-Sauce aktuelleren Datums zum Thema mühelos in den Schatten. Seine Qualität in Wort, Bild und Montage geben Raum zur Auseinandersetzung gerade auch in der Schule. Wohl auch aus diesem Grund erfährt der Film dankenswerterweise seine deutsche DVD-Premiere als Veröffentlichung der Bundeszentrale für politische Bildung.

Sonntag, August 28, 2011

Affen zum Gaffen

Planet der Affen – Prevolution
(Rise of the Planet of the Apes)
USA 2011 105 Min
von Rupert Wyatt
mit Andy Serkis, Tom Felton, James Franco, Freida Pinto
20th Century Fox (Kino)

Da habe ich im Kino gesessen mit der sehr schmalen Erwartung, einem weiteren der in den letzten Jahren inflationär aus Hollywood kommenden, vergessenswerten bis maximal durchschnittlichen Unterhaltungsfilme beizuwohnen. Diese Tonnen an sinnlosen Remakes, Sequels, Prequels und anderer Langeweiler. Tja, und dann bekam ich fast nicht mehr meinen Mund zu – und das nicht etwa wegen einer Ladung Popcorn – nein, es war doch tatsächlich das, was dort auf der Leinwand vor mir dahin flimmerte.
Um es kurz zu machen, „Planet der Affen – Prevolution“ ist so ziemlich das Unterhaltsamste, was seit Jahren aus Hollywood abseits der Finchers und Nolans in die Kinos schwappt. Weil er all die Ingredienzien nicht hat, die mich zumeist stören:
1. Dem Film dient nicht ein simpel-langweilig-dämliches Drehbuchfragment als Dramaturgie-Kitt für endlos-breitgewalzte Actionsequenzen. Nein, die Story, die Charaktere und ihre Entwicklung haben den Vorrang.
2.Action kommt trotzdem vor, jedoch immer nachvollziehbar in die Handlung eingebettet. Zudem wird auf die bei mir berüchtigt-gehasste Wackelkamera verzichtet. Man erkennt einfach alles – nicht zu fassen. Scheinbar ist der Trend, zu diesem Stilmittel zu greifen, ja etwas rückläufig. Ich hoffe es zumindest. Jetzt muss nur noch jemand diesem Herrn Bay Bescheid sagen.
3.Es gibt keine doofen, weil pseudo-coolen, weil bemühten Einzeiler! Ich empfinde das als Segen. Denn ganz ehrlich, diese Sachen waren zu Zeiten von Lethal Weapon und Stirb langsam neu und originell. Seit Jahren ist es schon zum Dauer-Gimmick verkommen, an dem schon die Drehbuchautoren scheinbar kein Interesse mehr hatten, was sich im fertigen Produkt zumeist dann auch zeigt.
4.Das Drehbuch besitzt wieder Gespür für die richtigen Höhepunkte zur richtigen Zeit – und übertreibt diese auch nicht maßlos. Beispiel: Als Caesar dem fiesen Tierheim-Aufseher seine Auflehnung zu verstehen gibt und die Affenmeute zum Ausbruch aufstachelt, gibt uns das Drehbuch als dramaturgischen Höhepunkt sein erstes Wort – und nur dieses Eine! In vielen anderen Beispielen hollywoodesker Cashing-In-Ware hätte es wohl hier gleich noch einen Feldherren-Monolog zur Affen-Mobilisierung gesetzt. Hier gottseidank nicht…Auch in der Endszene wird nicht mehr geredet, als es für den Moment nötig erscheint.
Als Bonus gibt es noch eines der apokalyptischsten Enden in einem Hollywoodfilm. So dass ich mir fast wünschte, der Film würde für sich allein stehen und kein Prequel sein. Aber okay, wenn die Macher nicht an eine bereits existierende Geschichte andocken müssten, wäre so ein Ende mit den großen Geldgebern auch nicht machbar gewesen. Zu riskant, keine Frage. Gut gelöst ist es in jedem Falle, einen gewissen zeitlichen Zwischenraum zum Anfang des Originals zu lassen, den sich der Zuschauer locker zusammen reimen kann. Doch genau dieser Zwischenraum könnte, auch bei dem finanziellen Erfolg des Films, der sich ja abzeichnet, ein Handicap bereits in sich tragen: Er ist groß genug, um noch locker so 1 bis 3 weitere Prequels unterzubringen…We will see.
Egal, „Planet der Affen – Prevolution“ versetzt einen qualitativ in die guten Hollywood-Zeiten der 70er und 80er Jahre. Ich wünsche mir wieder mehr Filme dieser Güte.

Auf ein Neues

Nach über 5 Jahren nehme ich meine Blogaktivitäten wieder auf. mal schaun, wie lange meine Lust am Schreiben anhält.