Sonntag, Januar 08, 2012

Ziemlich guter deutscher Filmtitel

Ziemlich beste Freunde
(Intouchables)
FRA 2011 110 Min
von Eric Toledano, Olivier Nakache
mit Francois Cluzet, Omar Sy, Anne Le Ny, Andrey Fleurot
Kino (Senator)

Philippe ist vermögend, belesen, mit eigenem Hofstaat – und vom Hals abwärts gelähmt. In eine Vorstellungsrunde für den Job seines Pflegers platzt der farbige Driss herein. Philippe ist fasziniert von seiner Unbekümmertheit und stellt in zur Probe ein.

Die Zahl ist imposant…Können 16 Millionen Kinozuschauer in Frankreich irren? Bei vielleicht der filmaffinsten Nation auf diesem Planeten eigentlich unvorstellbar. Aber…
Kein Aber. „Ziemlich beste Freunde“ ist Wohlfühl-Kino vom feinsten. Ein Film, bei dem die eigene Filmleidenschaft mit einem breiten Grinsen naturbekifft mit im Kinosessel sitzt und vor Vergnügen schnurrt. Und er beweist wieder einmal, dass es bei einem Film nicht darauf ankommt, wie neu oder „innovativ“ die Geschichte oder deren Erzählweise denn nun ist, sondern vielmehr darauf, wie die Geschichte zum Leben erweckt wird. „Intouchables“ ist oberflächlich ein typisches Buddy-Movie mit der üblichen Dramaturgie und dem immer wieder gern benutzten Prinzip der charakterlichen wie sozialen Gegensätze, die sich anziehen. Eine unprätentiöse Regie, ein gekonntes Drehbuch mit lebendigen Dialogen, ein unaufgeregtes und zugleich hochpräsentes Darstellerensemble sowie eine zurückhaltende, klavierbasierte Filmmusik machen daraus ein leichtfüßiges, charmantes, lebendiges Stückchen Filmkunst. Die wohl größte Leistung aller Beteiligten liegt dabei in der Weigerung, die der Geschichte naheliegenden Klischees ausschlachten zu wollen. Rückblenden in Philipps Phase der Depression nach seinem Unfall und dessen schwieriger Weg sein Schicksal anzunehmen? Fehlanzeige. Driss Gefägnisaufenthalt plus Vorgeschichte? Wird einmal erwähnt. Die Schilderung des „harten Ghettolebens“ von Driss? Kein Rap, keine Waffen, keine „Mutterficker“-Sprache, lediglich Andeutungen der schwierigen Lebens- und Familiensituation. Überhaupt, dem Film sind Andeutungen wichtiger als Plakativität, die Geste zählt mehr als künstliche, „message-schreiende“ Dialogkonstruktionen. Der Film thematisiert auch nicht das Handicap einer Lähmung mit den Folgeerscheinungen Mitleid und Andersartigkeit. Sein Hauptanliegen ist die ungebrochene Lebenslust seiner Charaktere, die Versöhnung mit der eigenen Familie, die Überbrückung von sozialen und ethischen Gegensätzen. Das alles im Gewande eines wohl ausbalancierten Filmes, der  in Sachen Humor und Albernheit niemals peinlich, und in Nachdenklichkeit und Traurigkeit niemals larmoyant und tragisch wird. Somit lässt sich dann auch die Vernarrtheit des französischen Publikums in den Film nachvollziehen.

Wann hatte eigentlich ein deutscher Film mit gesellschaftlicher Relevanz hierzulande einen derartigen Zuschauerzuspruch? Hmmm, muss ich mal meine Großeltern fragen…