Sonntag, Oktober 16, 2005

Steter Tropfen nässt das Bett

Dark Water – Dunkle Wasser
(Dark Water)
USA 2005 105 Min
von Walter Salles
mit Jennifer Connelly, Ariel Gade, Pete Postlethwaite, Tim Roth
Kino (Buena Vista/Touchstone)

Dark Water
(Honogurai mizu no soko kara)
JAP 2002 98 Min
von Hideo Nakata
mit Hitomi Kuroki, Rio Kanno, Mirei Oguchi, Isao Yatsu
DVD (Widesight)


Walter Salles „Dark Water“ ist das erste Hollywood-Remake eines japanischen Horrorstreifens, das eine Daseinberechtigung hat. Im Gegensatz zu den beiden Ring-Filmen und „The Grudge“ wird hier nicht ein Erzählstoff simpel veramerikanisiert und massentauglich seichter gemacht, vielmehr wählt Salles für sein Remake den gleichen ruhigen, depressiven Ton des Originals. Alle Elemente finden sich auch bei Salles wieder, doch erreicht er durch eine andere Gewichtung dieser eine veränderte Sichtweise auf den Filmstoff.
Hideo Nakatas Originalfilm erzählt von einer jungen Mutter und dessen kleiner Tochter, die, mitten in einem Sorgerechtsstreit mit dem Vater des Kindes, in eine Wohnung umziehen. Dort gibt es Probleme mit sich vergrößernden Wasserflecken an der Decke und der Tatsache, dass auf dem Verschwinden eines Mädchens aus dem Apartment darüber ein dunkles Geheimnis liegt. Nakata folgt in seinem Film dem Erzählstil seines überaus erfolgreichen wie bekannten „Ring“. Er nimmt sich viel Zeit für das Aufbauen der Figurenkonstellationen und Situation, die die Frau in ihre neue Wohnung einziehen und dort ausharren lassen. Die gute klassische Horrortradition wird hier hochgehalten: Das Aufbauen einer Atmosphäre latenter Bedrohung, ausgelöst durch einen unfreundlichen Ort, unerquickliche und depressive Begleitumstände, nach und nach eingestreute erklärende Details für die Zuschauer und eine fahle und trostlose Farbgebung. All dies hat das Remake ebenfalls zu bieten, jedoch verschieben sich bald die Blickwinkel beider Filme. Salles teilt dem Zuschauer erst sehr spät mit, dass das Kind aus der Wohnung darüber verschwunden ist und nie gefunden wurde. Eine Information, die Nakata sehr viel früher in seinem Film gibt. Ein wichtiger Fakt, ist er doch der Auslöser des übersinnlichen Geister- und Gruselplots. Hier zeigt sich der Hauptunterschied beider Filme klar. Nakatas Film ist und will ein Horrorfilm sein, Salles’ Remake ein Drama. Durch die unterschiedliche Wissensgrundlage des Zuschauers werden auch die anfänglichen Geschehnisse im Appartment darüber anders wahrgenommen. Dienen diese Nakata zur Erzeugung von Angst und Grusel vor dem Unbekannt-Irrationalem, so werden sie bei Salles als weitere Belastung des Nervenskostüms und der verdrängten Kindheitserinnerungen der Hauptfigur gesehen. Dem unterschiedlichen Ansatz zur Folge steht beim Remake die Figur der Mutter mehr im Vordergrund. An ihrer Entwicklung, ihrer Zerbrechlichkeit, Labilität, aber auch Stärke, Liebe und Durchhaltevermögen in der derzeitigen Lebenssituation ist Salles hauptsächlich interessiert (schon seine vorherigen Filme „Central Station“ und „Die Reisen des jungen Che“ hatten die Wandlung und Reifung eines Charakters unter schwierigen Begleitumständen zum Thema). Er und sein Drehbuchautor Rafael Yglesias geben mehr Information zum biographischen Background (die Rückblenden auf die Kindheit) und schnüren ein komplexeres Netz von Personen um die Hauptfigur herum. Sowohl der Hauswart, der Ehemann und der Anwalt sind im Remake stärker präsent, die beiden jugendlichen Skater, die eventuell vom Ex-Mann angeheuert wurden, kommen im Original überhaupt nicht vor. Sie erhöhen die seelischen Belastungen der Hauptfigur und drängen die übersinnlichen Aspekte des Films zeitweise in den Hintergrund. Hier hat dann auch das Remake seine Achillesverse: Salles Film ist in großen Teilen so sehr ein „realistisches“ Drama, das der Subplot mit dem Geist des verstorbenen Mädchens schon fast nicht mehr passen will, fast wie ein Fremdkörper erscheint. Begünstigt wird dies auch dadurch, dass Salles aufgrund seiner Ausrichtung des Stoffes an ausgedehnten Spannungssequenzen, die das Erscheinen des Geistes des toten Mädchens betreffen, nicht interessiert ist. Die Szene im Toilettenraum der Schule sowie das Finale werden zwar gefällig inszeniert, jedoch wird das Schock- und Suspensepotential der Situationen nicht genutzt, die Szenen sehr kurz gehalten, wo das Original einen noch in die hinterste Ecke der Coach hat zurückweichen lassen. Das Salles’ jedoch der Spagat zwischen Drama und dem Geisterplot gelingt und sein Film über das Mittelmaß hinauskatapultiert liegt zum einen an seiner guten Regie, den hervorragenden Bildern von Affonso Beato sowie am guten Darstellerensemble, allen voran seiner Hauptdarstellerin Jennifer Connelly, die einfach grandios die innere Zerrissenheit und zunehmende Verzweiflung, Panik und Überanstrengung ihrer Figur auf die Leinwand bringt mit Unterstützung ihrer dunklen, geheimnisvollen Augen.

So kann der geneigte Zuschauer wählen: Möchte er ein sehr gutes Drama mit Geister-Subplot oder lieber einen kreuzunheimlichen Gruselfilm sich zu Gemüte führen. Ich für meinen Teil kann mit beiden leben und hoffe, das, wenn wir schon mit Remakes aus Hollywood bombardiert werden, sie sich zukünftig ein Beispiel an „Dark Water“ nehmen, indem sie die Grundstimmung und das Grundgerüst beibehalten, jedoch andere Aspekte der Story hervorheben, ohne in oberflächlichem Müll abzugleiten. Ich weiß, es wird leider nicht mehr als ein frommer Wunsch bleiben.

1 Kommentar:

  1. Hallo,

    ich kann im Großen und Ganzen deiner Rezension zustimmen, habe beide Dark Waters ebenso empfunden.
    Allerdings finde ich, dass der erste Ring-Teil im Remake wesentlich besser als die wirre japanische Version. Sowohl was die stringentere Handlung, die Stimmung als auch die Charaktere anging. Is' ja nicht alles schlecht, was Hollywood ist. ;)

    AntwortenLöschen