Sonntag, September 11, 2005

Bayern

Land of the Dead
USA 2005 93 Min
von George A. Romero
mit Dennis Hopper, Simon Baker, John Leguizamo, Asia Argento
Kino (UIP)

Die Toten haben sich über die Erde verbreitet und die Menschen gezwungen, sich in die Städte zurückzuziehen. Eine davon ist „Fiddlers Green“, ein gigantischer Gebaüdekomplex, in dem sich die herrschende Elite eingerichtet hat, während unten in den Slums das Elend vorherrscht. Doch auch die Untoten, abgegrenzt durch Zäune und Wasser, scharen sich um ihren Anführer „Big Daddy“ zusammen, um zum Sturm auf die Stadt anzusetzen.

Onkel Georgies Rasselbande ist wieder da. Immer noch langsam vor sich hin schlürfend, immer noch politisch kontextuiert, immer noch richtig gut. „Land of the Dead“ ist, obwohl beileibe nicht perfekt, doch einer der besten Horrorfilme des aktuellen Jahres. Anders als „Boogeyman“, „The Ring“, „The Grudge“ oder ähnliche Traumfabrikware ist Romeros Film eben kein oberflächlicher, seelenloser und kreuzdämlicher Möchtegern-Grusler, der alle 3 Minuten einen schrillen Soundeffekt braucht, um sein dramaturgisches und niveauvolles Versagen zu kaschieren und einem dort mit blöden Spezialeffekten bombardiert, wo eigentlich Platz für Atmosphäre und Grusel sein sollte.
Tatsächlich stellt sich bei Romeros viertem „Dead“-Eintrag zuweilen ein wohliges Gefühl ein, als wäre der ernste, handwerklich saubere und spröde, ungehobelte und noch nicht glatt polierte Charme der 70er und 80er Jahre - Horrorfilme wieder auferstanden. Herr Romero ist eben auch kein x-beliebiger Auftragsregisseur, sondern weiß halt, was das Wort „Horror“ bedeutet und was einen guten Horrorfilm ausmacht. Stimmungsvolle Bilder zum Beispiel, beginnend von der Titelsequenz, über die Stadtszenen, in denen wahlweise Riley und Charlie oder aber die einfallenden Zombies umherwanken bis hin zu den aus dem Wasser auftauchenden Untoten. Auch hier bewahrheitet sich: Es muss nicht neu sein, es muss gut umgesetzt sein! Auch hat es Romero nicht notwendig, gerade in den Actionszenen mit der Kamera rumzuwackeln, um dem Kinozuschauer eine verkrampfte Ahnung von Hektik und Aufregung zu vermitteln (An der Stelle schöne Grüsse ans Remake, dass gerade hierin seine stilistische wie auch handwerkliche Hauptschwäche hatte). Nein, genau genommen ist der Film sogar recht statisch inszeniert. Ob das als eine Reaktion auf eben jenen aktuell grassierenden und schon lange zum Klischee verkommenden Wackelstil aufgefasst werden kann? Jedenfalls wird dem Zuschauer dass heutzutage seltende Privileg gewährt, eine gelungene Kameraeinstellung zu bewundern, die länger als 3 Sekunden andauert. Auch der Soundtrack vom „Lola rennt“ Team Johnny Klimek und Reinhold Heil kann sich hören lassen und passt sich gut in die Reihe nach Goblin und John Harrison ein. Endlich mal wieder ein Horrorfilm ohne stussige Rocksongs (Tach, Herr Snyder!).

Okay, mit seinen zeitlichen Konkurrenzprodukten fährt Romeros ordentlich Schlitten, doch wo steht der Film innerhalb seiner Serie? Definitiv wird man den Film sowieso erst mit etwas zeitlichem Abstand einordnen können. Fest steht aber schon jetzt, dass „Land“ keineswegs perfekt ist. So verhalten sich die Figuren in Fiddlers Green, die sowieso schon alle schablonenartig gestrickt sind (die Ausnahme bildet da noch Charlie in seiner naiven, einfachen, aber doch liebenswerten Art, eine der besten Charaktere, die seit einer langen Zeit in einem Horrorfilm aus Hollywood zu sehen war), im Film weitesgehend stereotyp. Hier findet auch die Akzentverschiebung, die Weiterentwicklung innerhalb der Serie statt: Was „Bub“ in „Day of the Dead“ andeutete, stellt „Land“ noch stärker heraus. Die Lebenden scheinen am Ende ihrer Entwicklung angekommen zu sein, demnach können sich eigentlich nur noch die Untoten weiterentwickeln. Wenn einem dieses Gedankenkonstrukt gefällt, welches ja über das Ende hinaus aufrecht erhalten wird (man denke an die neuen Hausherren in „Fiddlers Green“, die schon genauso viel Heimtücke und Machtgier im Blick haben wie die Alten), dann sind die eindimensionalen menschlichen Charaktere nahezu zwingend und notwendig. Nein, der Hauptkritikpunkt liegt woanders: Der Film ist schlicht und ergreifend zu kurz. Ich hatte speziell in den ersten 15 Minuten das Gefühl, dass Romero in der Kinoversion schnell zur Sache kommen, rasch die Konflikte aufbrechen wollte. Zumindest wirkte der Anfang reichlich sprunghaft, ich hätte mir mehr einführende Sequenzen gewünscht, die dass soziale und gesellschaftliche System „Fiddlers Green“ deutlicher aufzeigen und akzentuieren, inklusive einer größeren Präsenz vom Obercheffe Kaufman Es würde mich zumindest nicht überraschen, wenn dort ein Großteil der zusätzlichen Szenen des kommenden Directors Cut zu finden sind. Selbst wenn dem so wäre, würde es das Problem nur punktuell verkleinern: Dem Film hätte mehr Story besser zu Gesicht gestanden.
Auch die politischen Kommentare dürfen natürlich im vierten Film nicht fehlen. War „Night“ ein Kommentar zum Thema Vietnamkrieg und den Rassenunruhen, „Dawn“ ein ironischer Abgesang auf die Konsumgesellschaft und die von ihr Ausgeschlossenen, „Day“ eine Abrechnung mit der Militarisierung unter der Reagan-Ära, so fährt „Land“ nicht weiter überraschend seine Angriffe gegen die Bushregierung und deren verhängnisvolle Politik für das Land. Der soziale Frieden ist dahin, die Kluft zwischen „Arm“ und „Reich“ schon längst gigantisch – und Romero zeigt, wohin dies führen kann – und wahrscheinlich auch wird. Die Verlierer dieser Politik werden sich zusammenrotten, aufbegehren und zum „Sturm auf die Bastille“ (Kaufman) antreten, sobald sie nur einen Anführer (Big Daddy) gefunden haben. Viele Enttäuschte werden sich vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten frustriert abwenden und woanders ihr Glück versuchen (Cholo, Riley). Auch zum Thema Hautfarbe gibt Romero durch die Rollenverteilung seinen subjektiven Blick auf den Ist-Zustand der USA wieder. In der privilegierten Welt der Reichen und Mächtigen kann es ein Mensch mit schwarzer Hautfarbe höchstens bis zum Butler bringen, ein Klassendenken, dass der einfachen Schicht (den Zombies) fern liegt. Und wo die Reminiszenz bei den Uniformen des Wachschutzes liegt, ist dann auch mehr als überdeutlich (noch deutlicher war eigentlich nur noch „Starship Troopers“). All diese Subtexte werden von Romero wie immer mit dem Holzhammer dargeboten (O-Ton Kaufman: „Wir verhandeln nicht mit Terroristen!“), was für Romero typisch ist, jedoch ins Bild passt, da es doch so zu seien scheint, dass eine subtilere Behandlung solcher Themen bewirkt, dass sie das normale (US-) Publikum nicht erkennt (wie anders ist die marktschreierische Art Michael Moores und sein darauf basierender Erfolg sonst zu erklären?)

„Land of the Dead“ kann sich sehen lassen. Trotz Schwächen im Drehbuch ist der Film eine gute, logische und konsequente Weiterentwicklung der romeroschen Untoten-Serie, die zudem beweist, dass es Georgie als Regisseur immer noch drauf hat. Und wenn ich mir die gelungenen graphischen Effekte der KNB-Group um Frontmann Greg Nicotero anschaue – und dies mit der hiesigen Freigabe verbinde, so müssten auf der Stelle die beiden filmischen Vorgänger hierzulande aus dem Giftschrank geholt werden. Jedenfalls haben sich durch diese erteilte FSK-Freigabe nun endgültig die alten Verbotsbegründungen überlebt.

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