Hell
D/CH 2011 89 Min
von Tim Fehlbaum
mit Hannah Herzsprung, Stipe Erceg, Lars Eidinger
Paramount Deutschland (Kino)
Hmmm, ein deutscher Horrorfilm… ist immer noch in der
hiesigen Filmlandschaft ein Einzelgänger. Irgendwie immer ein ungeliebtes Kind
in Filmförderanstalten. Schmuddel-Image, niedere Kultur, Verherrlichung
niederer Gelüste… Dabei hatte Deutschland eine lebendige Horrorfilmtradition,
damals in den 20er Jahren. Bis nach dem Spuk des 2. Weltkrieges der Horrorfilm
keine wirkliche Heimat mehr hierzulande fand, zu nah rückten seine Bilder und
Topoi wohl an die Erinnerungen jüngster deutscher Verbrechen heran. Dabei
liegen die Tendenzen des deutschen Kinos ja durchaus im Bereich der schweren,
düsteren, elegischen und tragischen Geschichten – wie das hiesige Arthousekino
stets beweist. Locker, luftig, leicht – dafür sind die Franzosen da… Demzufolge
müsste doch der Horrorfilm eigentlich öfter das Mittel der Wahl sein, um in
dessen Genre-Geäst Einblicke in die Beschaffenheit der heutigen Zeit zu
implementieren. Dass der Horrorfilm mit sozio-kritischem Unterton funktionieren
kann, haben die 70er Jahre gezeigt und dabei eine ganze Reihe an
Genreklassikern hervorgebracht: Last
House on the Left, Deathdream, It’s alive, Crazies oder Texas Chainsaw
Massacre. Womit wir schon die Brücke
zu Tim Fehlbaums Film haben…(und hier beginnen dann wohl die Spoiler!)
Denn Hell stellt
eine recht gelungene Mischung aus Endzeitstreifen und Backwood-Horror dar und
beweist, dass die Drehbuchautoren Tobe Hoopers Mär von der kannibalistischen
Großfamilie kennen – und zitieren. Wo im Original die Industrialisierung und
der damit einhergehende Verlust des Arbeitsplatzes (in dem Fall als Schlachter,
der Vater wie Söhne betrifft) die Familie in den Kannibalismus abdriften lässt,
ist es hier die Utopie einer Welt nach der Klimakatastrophe und der damit
verbundenen Notsituation. Die Erderwärmung hat um 10 Grad zugenommen, der Sonne
gleißendes Licht (den Filmtitel kann man in dieser Hinsicht sowohl als
englisches wie als deutsches Wort begreifen) verbrennt die Haut und vertrocknet
den Boden. Nur wenige Menschen haben überlebt, Wasser und Nahrung sind rar. Ob
deswegen die Filmbewertungsstelle aus Wiesbaden dem Film das Prädikat „besonders
wertvoll“ zugesprochen hat? Mit dem
Ökothema liegt der Film jedenfalls im Trend. Nur benutzt der Film dieses
lediglich als Ausgangslage, legt seinen Fokus auf die zwischenmenschliche
Dramatik, auf die Frage nach dem Umgang miteinander und der Veränderung der
Werte und Normen angesichts der existenzbedrohenden Ausnahmesituation.
Den Ausführungen liegt es schon nahe – Hell erfindet das Rad nicht neu und hat auch dem Genrekanon inhaltlich
nichts neues hinzuzufügen. Bemerkens- und anschauenswert ist er aber aufgrund
seiner visuellen wie strategischen Machart. Die überbelichteten, ausgebleichten
Aufnahmen verfehlen ihre Wirkung nicht und tragen ihren Teil zur gelungenen
Atmosphäre des Films bei. Ansonsten wirkt der Film merkwürdig, aber
gleichzeitig faszinierend entrückt. Der Film erzählt seine Geschichte nüchtern
und weitesgehend ruhig. Grelle Schockbilder oder ein dementsprechendes
Sound-Design fehlen. Stattdessen hat der Film etwas eindringlich-meditatives.
Die Spannungsschraube wird dramaturgisch durchaus geschickt mehrfach im Film angezogen,
ansonsten ist ein unterschwelliges Bedrohungsszenario stets präsent. Die Musik
pulsiert bedrohlich, die Dialoge sind zumeist laut geflüstert und auf das
notwendigste reduziert, die Darsteller spielen der Filmsituation angemessen
eher reduziert, auch weil es das Drehbuch unterlässt, die in deutschen Filmen
regelmäßig anzutreffenden Gefühlsausbrüche mit übertriebenem und immer etwas künstlich
wirkendem Schrei-und Heulfaktor² zu verquicken. Da der Film diesen Stil konsequent
durchzieht, kann er als gelungenes Genre-Beispiel bezeichnet werden.
Was
ist nun Hell genau? Ich würde ihn als
interessante Fingerübung eines talentierten Regisseurs sehen. Wer sich mit dem
nüchternen, doch durchaus eindringlichen Erzählstil anfreunden kann, dürfte während
des Films keinen Erscheinungen der Langeweile begegnen.